E I N S S E I N   M I T   G O T T 
F a c e t t e n   d e r   M y s t i k

Daoismus

 

Gliederung:

1. Der SINN (das TAO, Gott) als Urheber der Welt

2. Unaussprechlichkeit, Unbeschreibbarkeit des SINNS (des TAO, Gottes)

3. Der Weg zum SINN (zum TAO, zu Gott)

4. Leben im SINN (im TAO, in Gott)

 

 

Alle folgenden Zitate von Laotse aus dem "Tao Te King" aus: Laotse und Wilhelm 2004,
alle folgenden Zitate von Dschuang Dsi aus "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland" aus: Dschuang Dsi und Wilhelm 1974

 

 

1. Der SINN (das TAO, Gott) als Urheber Welt

Es gibt ein Ding, das ist unterschiedslos vollendet.
Bevor der Himmel und die Erde waren, ist es schon da,
so still, so einsam.
Allein steht es und ändert sich nicht.
Im Kreis läuft es und gefährdet sich nicht.
Man kann es nennen die Mutter der Welt.
Ich weiß nicht seinen Namen.
Ich bezeichne es als SINN.

.....

Der Mensch richtet sich nach der Erde.
Die Erde richtet sich nach dem Himmel.
Der Himmel richtet sich nach dem SINN.
Der SINN richtet sich nach sich selber.
(Tao Te King 25)

 

Der SINN erzeugt die Eins.
Die Eins erzeugt die Zwei.
Die Zwei erzeugt die Drei.
Die Drei erzeugt alle Dinge.
Alle Dinge haben im Rücken das Dunkle
und streben nach dem Licht,
und die strömende Kraft gibt ihnen Harmonie.
(Tao Te King 42)

  

2. Unaussprechlichkeit, Unbeschreibbarkeit des SINNS (des TAO, Gottes)

Der SINN, der sich aussprechen lässt,
ist nicht der ewige SINN.
Der Name, der sich nennen lässt,
ist nicht der ewige Name.
»Nichtsein« nenne ich den Anfang von Himmel und Erde.
»Sein« nenne ich die Mutter der Einzelwesen.
Darum führt die Richtung auf das Nichtsein
zum Schauen des wunderbaren Wesens,
die Richtung auf das Sein
zum Schauen der räumlichen Begrenztheiten.
(Tao Te King 1)

 

Der SINN als Ewiger ist namenlose Einfalt.
(Tao Te King 32)

 

Die Nichtwissenheit wissen
ist das Höchste.
Nicht wissen, was Wissen ist,
ist ein Leiden.
Nur wenn man unter diesem Leiden leidet,
wird man frei von Leiden.
Dass der Berufene nicht leidet,
kommt daher, dass er an diesem Leiden leidet;
darum leidet er nicht.
(Tao Te King 71)

 

Dem SINN darf man kein So-Sein zuschreiben, das So-Sein darf man nicht als Nicht-So-Sein (reines Sein) bezeichnen. SINN ist einfach eine Bezeichnung, die in übertragener Weise gebraucht wird. ... Der SINN ist Grenzbegriff der dinglichen Welt. Reden und Schweigen reichen nicht aus, ihn zu erfassen. Jenseits vom Reden, jenseits vom Schweigen (liegt sein Erleben), denn alles Denken hat Grenzen.
(Dschuang Dsi, Blütenland 25, 10)

 

3. Der Weg zum SINN (zum TAO, zu Gott)

Ohne aus der Tür zu gehen,
kennt man die Welt.
Ohne aus dem Fenster zu schauen,
sieht man den SINN des Himmels.
Je weiter einer hinausgeht,
desto geringer wird sein Wissen.
(Tao Te King 47)

 

Also auch der Berufene:
Er wünscht Wunschlosigkeit.
Er hält nicht wert schwer zu erlangende Güter.
Er lernt das Nichtlernen.
Er wendet sich zu dem zurück, an dem die Menge vorübergeht.
(Tao Te King 64)

 

Er [der Berufene] setzt sein Selbst hintan,
und sein Selbst kommt voran.
Er entäußert sich seines Selbst,
und sein Selbst bleibt erhalten.
Ist es nicht also:
Weil er nichts Eigenes will,
darum wird sein Eigenes vollendet?
(Tao Te King 7)

 

Schaffe Leere bis zum Höchsten!
Wahre die Stille bis zum Völligsten!
Alle Dinge mögen sich dann zugleich erheben.
Ich schaue, wie sie sich wenden.
Die Dinge in all ihrer Menge,
ein jedes kehrt zurück zu seiner Wurzel.
Rückkehr zur Wurzel heißt Stille.
(Tao Te King 16)

 

Wenn dein Herz fest ist, dann magst du untätig weilen beim Nicht-Handeln, und alle Dinge wandeln sich selber. Lass fahren den Leib; spei aus deine Sinneseindrücke; werde gleichgültig uns vergiss die Außenwelt; komm in Übereinstimmung mit dem Uranfang; löse dein Herz; entlass deinen Geist; kehre zurück ins Unbewusste: dann kehren alle Wesen zurück zu ihrer Wurzel.
(Dschuang Dsi, Blütenland 11, 4)

 

Dein Ziel sei Einheit! Du hörst nicht mit den Ohren, sondern du hörst mit dem Verstand; du hörst nicht mit dem Verstand, sondern du hörst mit der Seele. Das äußere Hören darf nicht weiter eindringen als bis zum Ohr; der Verstand darf kein Sonderdasein führen wollen, so wird die Seele leer und vermag die Welt in sich aufzunehmen. Und der SINN ist´s, der diese Leere füllt.
(Dschuang Dsi, Blütenland 4, 1)

 

Wenn der Geist alles durchdringt und durchströmt und nichts ihm unerreichbar bleibt; wenn er hinaufdringt zum Himmel und unten die Erde umschlingt; wenn er alle Wesen wandelt und nährt und ohne Gleichnis noch Bildnis ist: das heißt eins sein mit Gott.
(Dschuang Dsi, Blütenland 15, S. 172)


Yen Hui, ein Schüler des Kung Dsi (Konfuzius) sagte:
„Ich bin zur Ruhe gekommen und habe alles vergessen“.
Kung Dsi sprach bewegt: „Was meinst du damit, dass du zur Ruhe gekommen und alles vergessen?“
Yen Hui sprach: „Ich habe meinen Leib dahinten gelassen, ich habe abgetan meine Erkenntnis. Fern vom Leib, frei vom Wissen bin ich Eins geworden mit dem, das alles durchdringt. Das meine ich damit, dass ich zur Ruhe gekommen bin und alles vergessen habe.“
Kung Dsi sprach: „Wenn du diese Einheit erreicht hast, so bist du frei von allem Begehren, wenn du dich so gewandelt hast, so du bist du frei von allen Gesetzen und bist weit besser als ich, und ich bitte nur, dass ich dir nachfolgen darf.“

(Dschuang Dsi, Blütenland 6, 7)


 Die Zauberperle

Der Herr der gelben Erde wandelte jenseits der Grenzen der Welt. Da kam er auf einen sehr hohen Berg und schaute den Kreislauf der Wiederkehr. Da verlor er seine Zauberperle. Er sandte Erkenntnis aus, sie zu suchen, und bekam sie nicht wieder. Er sandte Scharfblick aus, sie zu suchen, und bekam sie nicht wieder. Er sandte Denken aus, sie zu suchen, und bekam sie nicht wieder. Da sandte er Selbstvergessen aus. Selbstvergessen fand sie. Der Herr der gelben Erde sprach: „Seltsam fürwahr, dass gerade Selbstvergessen fähig war, sie zu finden!“
(Anmerkung: Die Zauberperle ist der SINN, das TAO)

(Dschuang Dsi, Blütenland 12,4)

  

4. Leben im SINN (im TAO, in Gott)

Der höchste Mensch ist frei vom Ich; der geistige Mensch ist frei von Werken; der berufene Heilige ist frei vom Namen.
(Dschuang Dsi, Blütenland 1, 1)

 

Die höchsten Menschen der alten Zeit behielten (den Sinn, das TAO) für sich und dann erst suchten sie ihn unter den Menschen aufrechtzuerhalten.
(Dschuang Dsi, Blütenland 4, 1)

 

 

Alle obigen Zitate von Laotse aus dem "Tao Te King" aus: Laotse und Wilhelm 2004,
alle obigen Zitate von Dschuang Dsi aus "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland" aus: Dschuang Dsi und Wilhelm 1974.